17.08.2021
Mit einer sorgfältigen Sanierung und einer Aufstockung im Grossformat, verwandelt sich die altehrwürdige Karton- und Papierfabrik im Berner Vorort Stettlen zu modernem Wohnraum und einem Hub für Startups und viele kreative und kluge Köpfe. Armin Schawalder stellt das Projekt am 20. Oktober am Forum Holzbau in Köln vor.
Einst produzierten über 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Karton für die ganze Schweiz. Bis zu 500 Tonnen Pappe verliessen täglich das Industrieareal, ehe die Verantwortlichen im Jahr 2010 die Maschinen abstellten.
Die Bernapark AG wandelte die ehemalige Kartonfabrik um in ein Quartier mit unterschiedlicher Nutzung. Dabei setzten sie auf eine differenzierte Kombination aus Zwischennutzung, Umbau alter Fabrikhallen und grosszügigen Aufstockungen.
Die hundert Meter lange Fabrikfront entlang der Gleise der RBS Bahn und das zurückversetzte Gebäude B mussten stehen bleiben. Die zwei Baukörper wurden sorgfältig saniert und in Loftwohnungen, Kreativflächen und Kleinindustrieflächen umgewandelt – und mit einer zweigeschossigen Aufstockung erweitert. Um die darunter liegenden Geschosse möglichst wenig zu belasten, entstand die Konstruktion in Holzrahmenbauweise. Timbatec war für die Statik der Aufstockung, die heute 133 Etagen- und Maisonette-Wohnungen beherbergt, verantwortlich.
Statikkonzept
Das Fabrikgebäude – ein Massivbau aus
Stahlbeton und Mauerwerk – besteht aus einem 140 Meter langen Riegel und einem
70 x 40 Meter grossen Gebäude. Beide Bauten sind 18 Meter hoch und wurden um
zwei Etagen, oder rund sechs Meter, aufgestockt. Die Aufstockung muss daher
entsprechend hohen horizontalen Einwirkungen aus Wind und Erdbeben standhalten.
Üblicherweise definieren Tragwerksplaner die
Punkte, wo Kräfte aus Bauwerken in die Fundamente abgeleitet werden. Nicht so
beim Bernapark: Hier gibt der Bestandesbau vor, wo die Kräfte aus der
Aufstockung abgeleitet werden dürfen. Daraus resultiert ein Statikkonzept mit
vielen Wechseln, unterschiedlichen Tragrichtungen und teils grossen Spannweiten.
Aufgrund des unterschiedlichen Schwingungsverhaltens von Massiv- und Holzbauten
respektive des steifen Unterbaus, wurden im Hinblick auf die Erdbebensicherheit
zudem höhere Belastungen für den Holzbau angesetzt.
Die zwei zusätzlichen Stockwerke sind in
Schottenbauweise errichtet, wobei der Grossteil der Schottwände tragend und zur
Gebäudeaussteifung beidseitig beplankt und als Scheiben ausgeführt sind. Die
Decken und das Dach sind als Hohlkastenelemente meist quer dazu gespannt.
Wandaufbau
Die Holzbauweise ist teilweise auch an der Fassade
sichtbar: Im Bereich der Terrassen ziert eine 20 Millimeter dicke Schalung aus
Fichte/Tanne die Fassade. Andere Teile der Fassade wurden verputzt, sie sollen
den bestehenden Industriecharakter aufnehmen. So wird die Aufstockung
harmonisch in den Bestand integriert. Als Putzträger für die 8 mm Putzschicht
dienen 60 mm Steinwolldämmplatten. Dahinter befindet sich die eigentliche
Holzrahmenkonstruktion in Form von 200 mm Ständern und ausgedämmten
Gefachen. Aussenseitig ist die Konstruktion mit Gipsfaserplatten bekleidet,
rauminnenseitig mit 18 mm OSB-Platten und 12,5 mm Gipsfaserplatten.
Deckenaufbau
Hohlkasten mit 280 mm hohen Rippen aus
Brettschichtholz bilden die Decken. Je nach Spannweite variiert die Breite der
Rippen zwischen 60 und 180 mm. Zur Optimierung des Schallschutzes und des
Schwingungsverhaltens, wurden die Hohlkasten mit 100 mm Kalksplitt befüllt
und mit einem klassischen Bodenaufbau überdeckt. Unterseitig sind die Decken
mit einer 18 mm dicken Gipsfaserplatte beplankt. Die Decken liegen meist
auf den tragenden Schottwänden oder auf innenliegenden Stützen und Unterzügen
auf. Die Fichtenstützen sind weiss gestrichen und bleiben in den Wohnungen
sichtbar.
Übergang
Wohnung Balkon
Das Dach besteht aus einer ausgedämmten
Rippendecke, bei der die unterseitige Platte als statisch wirksame Fläche
angesetzt ist. Die Elemente der Balkone und Loggien, und diejenigen in den
Wohnungen, wurden mit einem ausgedämmten Elementstoss über den Fenstern
miteinander verbunden. Details: Stuber Holzbau
Für die Erschliessung der Aufstockung wurden zwei neue Treppenhäuser in Holzbauweise eingezogen. Diese mussten wegen den Brandschutzanforderungen gekapselt ausgeführt werden und REI 60-RF1 erfüllen. Bestehende Treppenhäuser sind in Massivbauweise. Auch beim Dach galt es, 30 Minuten Feuerwiderstand zu gewährleisten, weil die Lüftungstechnik darauf untergebracht ist, die Leitungen mehrere Brandabschnitte queren und die nötigen Brandschutzklappen 30 Minuten funktionieren müssen.